17.07.2021
Energie & Ressourcen

Viel mehr als nur grün hinter den Ohren

Was vor rund 10 Jahren als spontane Idee begann, ist heute ein Verein, der Jahr für Jahr mit Jugendlichen nachhaltige Energie-Projekte in die Tat umsetzt. – Ein Porträt des Vereins «Jugend Energy», der seit 2021 eng mit der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein zusammenarbeitet.

Diskussionsrunde mit Folgen

Rückblick in das Jahr 2011: Die Jugendbeteiligung Liechtenstein (JUBEL) lädt zu einem Klassensprecher-Event. Man will miteinander diskutieren, was junge Menschen wirklich interessiert und welche Projekte man konkret angehen sollte. Ein Vorschlag kommt rasch aus der Runde: Machen wir doch einmal etwas in Richtung erneuerbare Energie und Nachhaltigkeit. Unter den Teilnehmern war damals unter anderem auch eine 15jährige Schülerin aus dem Liechtensteinischen Gymnasium: Julia Frommelt.

Von Klassensprecherin zur Geschäftsführerin

Heute ist Julia Frommelt nicht nur studierte Biologin und Umweltwissenschaftlerin, sondern auch Geschäftsführerin des 2012 gegründeten Vereins «Jugend Energy», der aus dem damaligen Treffen hervorging. Sie erinnert sich an die Anfänge: «Auf die spontane Idee folgte bereits im Jahr darauf die Vereinsgründung und das erste Projekt: der Bau einer Photovoltaik-Anlage auf dem Postgebäude in Schaan. Von Jugendlichen geplant und auf dem Dach unter fachkundiger Leitung montiert.» Bis heute sind bereits fünf weitere Photovoltaik-Anlagen auf diese Weise errichtet und in Betrieb genommen worden. Allesamt mit grosszügiger Unterstützung von Liechtensteiner Gemeinden, Sponsoren und einem engagierten Team aus ehrenamtlichen Mitarbeitenden aus den verschiedensten Lebensbereichen.

Verlässliche Partner

Julia Frommelt selbst arbeitet aktuell zu 80% bei der auf nachhaltiges Bauen und Energiekonzepte spezialisierten Lenum AG in Vaduz, die nicht nur die komplette Infrastruktur für den Verein zur Verfügung stellt, sondern diesem vor allem bei technischen Fragen oder Abklärungen mit Rat und Tat zur Seite steht. Ihre restlichen 20% Arbeitspensum widmet die 25-jährige Liechtensteinerin seit Anfang 2021 voll und ganz «Jugend Energy», um geplante Projekte schneller und professioneller umsetzen zu können. «Diese Geschäftsführer-Position ist ein wichtiger Entwicklungsschritt für uns, der erst durch die Strukturfinanzierung der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein möglich wurde», freut sich Julia Frommelt.

Angebot und Zielgruppe erweitert Kern der Vereinsarbeit sind aktuell – neben wichtiger Öffentlichkeitsarbeit etwa an den «Tagen der Sonne» oder am «Welterschöpfungstag» sowie speziell für Primarschulen entwickelte, spielerische Energiesparmodule – zweifellos die Photovoltaik-Projekte. Ursprünglich für Schüler der 2. und 3. Klasse der Ober- und Realschule angedacht, hat man die Zielgruppe mittlerweile wesentlich erweitert und bereits 2020 ein Projekt mit Vaduzer Gymnasiasten der 5. und 6. Klasse fertigstellen können.

Schritt für Schritt eingebunden

Unabhängig von Alter und Schultyp sind die Jugendlichen stets in sämtliche Projektschritte eingebunden – vom Finden eines geeigneten Gebäudes mit entsprechender Dachfläche über die Finanzierung bis zum eigentlichen Montieren der Solarpanele. «Sie schreiben von sich aus bekannte Firmen oder Personen an oder wenden sich an Stiftungen. Oder die Schüler betreiben selbst Crowdfunding, indem sie etwa am Fürstenfest an einem Stand Getränke verkaufen», erzählt Julia Frommelt, für die genau diese umfassende, aktive Einbindung der Jugendlichen der Schlüssel zum Erfolg ist.

Jugendliche Klimabotschafter

«Gerade junge Menschen prägt diese selbstgemachte Erfahrung nachhaltig. Für manche stellen die Projekte auch kleine «Schnupperkurse» in Sachen Lehre und Berufswahl dar. Und alle tragen das Thema gleichzeitig auch in ihre Familien und Freundeskreise weiter. Einige sind während des Projekts sogar als «Klimabotschafterinnen» unterwegs und besuchen etwa Primarschülerinnen in ihren Klassen, um von ihren Erfahrungen zu erzählen.»

Für grüne Ideen offen

Noch beschränkt sich der Verein «Jugend Energy» auf den Bau von Solaranlagen, da diese von Planung und Umsetzung am einfachsten, schnellsten und kostengünstigsten zu realisieren sind. Grundsätzlich ist man aber – getreu dem Namenszusatz «Verein für grüne Ideen» – auch für Projekte in allen anderen Bereichen der erneuerbaren Energien offen.

Ziel Selbstfinanzierung

Stichwort «Kosten»: Trotz grosser ehrenamtlicher Unterstützung und Betrieben, die Expertise, Fachleute und Material grösstenteils zu Selbstkosten zur Verfügung stellen, fallen bei jeder neuen Anlage Errichtungskosten von durchschnittlich rund 50000 bis 60000 CHF an. «Noch sind diese Beträge nur durch die grosszügige Unterstützung von Gemeinden und Sponsoren zu stemmen», erklärt Geschäftsführerin Julia Frommelt. «Unser Ziel für die Zukunft ist aber ganz klar, dass wir pro Jahr zumindest eine solche Anlage aus Eigenmitteln finanzieren können.»

Einkünfte aus Nutzungs- und Stromlieferverträgen

Das Geld dazu soll aus den von den Jugendlichen errichteten Solaranlagen selbst kommen. Der Verein schliesst nämlich mit den Besitzern der verbauten Dachflächen auf mehrere Jahre Nutzungs- und Stromlieferverträge ab und erhält so Einkünfte aus dem dort erzeugten Strom. Dieser wird entweder direkt von dem Gebäudeeigner abgenommen oder aber in die Stromleitung eingespeist und so vergütet.

Unternehmen und Lehrlinge ins Boot holen

Gibt es abgesehen von der angestrebten finanziellen Eigenständigkeit noch andere Wünsche und Ziele für die nahe Zukunft? «Wir wollen unsere Projekte auch auf Lehrlinge ausweiten. Entsprechende Gespräche mit grossen Unternehmen im Land sind bereits im Laufen», gibt sich Julia Frommelt hoffnungsfroh. Und wer weiss: Vielleicht kommt zur eigenen Planung noch die ein oder andere bahnbrechende Idee hinzu, die derzeit noch irgendwo im Kopf eines Jugendlichen schlummert. So wie vor 10 Jahren.

Verein «Jugend Energy»

Gründungsjahr: 2012 Präsident: Achill Kind Vorstand: Gerwin Frick, Magnus Hassler, Thomas Wolfinger Geschäftsführerin: Julia Frommelt (*1996)

Bisher vom Verein errichtete und in Betrieb genommene Photovoltaikanlagen:

  • Sportgebäude in Schellenberg (2012)

  • Postgebäude in Schaan (2012)

  • Wohnanlage des Vereins für Betreutes Wohnen (VBW) in Triesen (2018)

  • Waldorfschule in Schaan (2019)

  • Primarschule Äule in Vaduz (2020)

  • Primarschule in Schaan (2020/21)

Stromproduktion durch die vom Verein betriebenen Anlagen: 2020: 93'418 kWh, entspricht dem Jahresstrombedarf für rund 23 Einfamilienhäuser Eingespartes CO2 durch die vom Verein betrieben Anlagen bis 2020: 39.95 t, entspricht rund 1192 neugepflanzten Bäumen

Kontakt
Kirchstrasse 10, 9490 Vaduz
T: 00423/2653084
Mail: julia.frommelt@jugendenergy.li
Web: jugendenergy.li