Begegnung statt Kampfzone
Wer hat's erfunden?
Ähnliche Verkehrsversuche waren zwar bereits aus Frankreich oder Holland bekannt, aber letztlich war es die Schweiz, die der Begegnungszone ihren offiziellen Namen gab und sie als weltweit erster Staat im nationalen Verkehrsrecht verankerte. Der Beginn einer wahren Erfolgsgeschichte, zählt man mittlerweile doch geschätzte 1000 Begegnungszonen auf dem gesamten Bundesgebiet..
Geschichte
Anfang der 1980er Jahre gab es erstmals eine Art Vorläuferidee in der französischen Stadt Chambéry zu bestaunen, die damals noch den Namen „aire piétonne“ trug. 1996 wagte man schliesslich im Bahnhofsquartier in Burgdorf (Kanton Bern) einen Verkehrsversuch mit klingendem Namen „Flanierzone“, aus der 2002 dann die weltweit erste offizielle „Begegnungszone“ wurde. Dem Beispiel folgten später noch andere Länder wie Belgien (2005), Frankreich (2008), Luxemburg (2009), Österreich (2012) oder auch die Provinz Québec (2018) in Kanada.
Voraussetzungen
Generell kann man festmachen, dass Begegnungszonen dort Sinn machen, wo eine Mischung verschiedener Verkehrsteilnehmer:innen zu einem besseren Verkehrsablauf führt als deren strikte Trennung. Klassische Begegnungszonen entstehen meist dort, wo das Fussgänger:innen-Aufkommen erfahrungsgemäss gross ist, also etwa rund um Bahnhöfe, Schulen oder Geschäftsquartiere. Ebenso haben sich aber auch Begegnungszonen dort bewährt, wo selbst wenige Fussgänger:innen auf nur wenige Fahrzeuge treffen.
Zielsetzungen
Durch Begegnungszonen sollten unter anderem folgende Punkte erreicht werden:
- Verkehrsberuhigung inkl. weniger Lärm und Abgase
- Erhöhung der Verkehrssicherheit
- Fussgängervortritt auf der gesamten Fläche
- Beibehaltung der Zufahrtsmöglichkeiten
- Stärkere Wohn- und Geschäftsnutzung gegenüber Verkehrsfunktion
- Erhöhung der Aufenthalts- und Lebensqualität
- Gestalterische Aufwertung
Grundregeln
Vereinfacht gelten in einer Begegnungszone folgende drei Grundregeln:
- Fussgängervortritt auf ganzer Fläche
- Höchstgeschwindigkeit 20 km/h
- Parkverbot ausserhalb markierter Felder
Grössen
Begegnungszonen gibt es in allen Grössen und Längen – vom gerade einmal 30 Meter langen Dorfplatz in einer ländlichen Gemeinde bis zur kilometerlangen Stadtmeile. Aktuell ist in der Schweiz festzustellen, dass teilweise einzelne, kleinere Begegnungszonen zu einer grösseren zusammengefasst werden.
Ausgestaltung
Abgesehen von der gesetzlich vorgeschriebenen Beschilderung gibt es in der Ausgestaltung von Begegnungszonen – im Rahmen der gesetzlich dafür vorgesehenen Normen – recht viel Spielraum. Neben Führungselementen wie etwa Bodenmarkierungen oder Poller, die zur Sicherheit der Fussgänger:innen klar machen, wo gefahren werden darf und wo nicht, können auch Akzente gesetzt werden, die zur Geschichte oder Besonderheit der örtlichen Umgebung gehören oder diese betonen. Eine solche Gestaltung kann nicht nur zur Identitätsstiftung beitragen, sondern die Begegnungszone auch zu einem Art „Wohnzimmer“ des Ortes machen.
Hochburg Bern
Im Kanton Bern hat die Begegnungszone nicht nur ihren geschichtlichen Ursprung genommen, er zählt auch aktuell mit über 100 Begegnungszonen zum absoluten Spitzenreiter. Im Kanton gibt es zudem Jahr für Jahr ein eigenes Budget, das ausschliesslich für die Schaffung neuer Begegnungszonen reserviert ist.
Stadt Lounge in St. Gallen
Wahrscheinlich waren Sie ohnehin bereits vor Ort und sind selbst auf einer der auffallendsten Begegnungszonen der Schweiz flaniert: dem „Bleicheli“ in St. Gallen. Ein mit rotem Teppich-Belag ausgekleideter, öffentlicher Raum, der von der Künstlerin Pipilotti Rist im Jahr 2005 mit zusätzlichen „Möbeln“ zu einem Art Wohnzimmer umgestaltet worden ist. Das Quartier führte früher in der Stadt eher ein Mauerblümchen-Dasein. Heute gilt die wohl schillerndste Begegnungszone der Schweiz auch als touristischer Anziehungspunkt.
Vereinfachtes Verfahren
Bis Ende 2022 galt vor Errichtung einer Begegnungszone in der Schweiz noch eine Gutachtenspflicht, für die vorab unter anderem Geschwindigkeitsmessungen oder Auslastungsdaten zu erheben waren. Diese Pflicht entfällt ab 1.1.2023 bundesweit, was zum einen die Verfahren wesentlich vereinfacht und zum anderen auch den einzelnen Gemeinden und Städten mehr Handlungsspielraum gibt.
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