24.03.2022
Ernährung & Landwirtschaft

«Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir in Liechtenstein eine Bio-Oase werden, in der man weniger oder gar keine chemisch-synthetischen Hilfsstoffe mehr einsetzt.»

Georg Frick war zehn Jahre lang an der Inspektions- und Zertifizierungsstelle für die biologischen Landwirtschaftsbetriebe der Schweiz tätig, ehe er 2011 die Seiten wechselte. Heute ist der studierte Agrarwissenschaftler selbst Biobauer im Schaaner Riet. Im folgenden Interview erzählt er über seine Arbeit und welche Herausforderungen und Chancen damit verbunden sind.

Stellen Sie bitte Ihren Biobetrieb Weidriethof in Schaan kurz vor.

Wir sind ein gemischter, breit aufgestellter Betrieb mit Schwerpunkt Pflanzenbau. Im industriell grossen Massstab bauen wir unter anderem Weizen, Gerste, Raps, Kartoffeln, Sonnenblumen, Kürbis, Brokkoli oder Karotten an. Darüber hinaus habe ich noch eine Obstplantage mit Kirschen und Zwetschgen, die ich an den Grosshandel liefere.

Im kleinen Massstab, wo viel Handarbeit nötig ist, erzeugen wir in unseren Gewächshäusern noch Gemüse wie Salate, Tomaten, Paprika, Gurken oder Zucchetti. Und für die Direktvermarktung habe ich einen Hofladen, für den ich bis vor kurzem noch 10 Freilandschweine sowie 50 Legehennen gehalten habe. Die Eier beziehe ich aber mittlerweile von einem Nachbarhof. Ich sehe in der Direktvermarktung auch die Zukunft für unsere Landwirtschaft.

Stichwort «Hofladen» und «Direktvermarktung»: Haben Sie als liechtensteinischer Biobauer eigentlich positive Auswirkungen der Corona-Pandemie gespürt, in der ja nachweislich die Nachfrage nach regionalen, zudem meist auch qualitativ hochwertigen Lebensmitteln gestiegen ist?

Unser Hofladen ist schon vor Corona recht gut gelaufen, aber zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 wurden wir regelrecht gestürmt und uns wurde die Ware förmlich aus den Händen gerissen. Das war wirklich krass. Und das zu einer Zeit im Frühjahr, da das Angebot nicht das beste war, da uns die Lagerware langsam ausging und neue Ware erst wachsen musste.

Hat die starke Nachfrage angehalten?

Man spürte schon einen leichten Rückgang, als die Grenzen wieder aufgingen, aber die Nachfrage hat sich seither doch auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie stabilisiert.

Abgesehen von Corona und den Auswirkungen: Wie kann man aus Ihrer praxisnahen Sicht Menschen von einer nachhaltigen Ernährung und Landwirtschaft überzeugen?

Ich denke, es macht einfach Sinn, bewusst regional und falls möglich von biologischen Betrieben einzukaufen, weil wir einfach einen kleineren ökologischen Fussabdruck als konventionell wirtschaftende Betriebe haben. Wenn das ins Bewusstsein der Bevölkerung einsickert, haben wir alle gewonnen.

Klar ist aber auch, dass wir den Kunden ein schönes Angebot an regionalen Produkten bieten müssen. Für einen einzelnen Landwirt wie mich ist es aber schwierig, 50 verschiedene Gemüsesorten im Angebot zu haben. Besser wäre es, wenn man sich auf lediglich 10 verschiedene Sorten konzentrieren könnte und der benachbarte Kollege würde dafür anderes Gemüse anbauen und man könnte zusammen ein breiteres Angebot machen.

Ist es für den Konsumenten letztlich nicht auch eine Preisfrage, wo er einkauft?

Wenn ich die Ware selbst vermarkte, dann kann ich eigentlich die gleichen Preise verlangen, die man auch im Coop oder Migros bezahlen muss und auch meine Marge ist dann noch gut.

Man muss natürlich gute und schöne Ware anbieten. Und vielleicht die Konsumenten auch daran gewöhnen, dass einfach nicht jede Karotte oder jeder Apfel perfekt aussieht und eine Gurke auch einmal etwas krummer ist als im Supermarkt. Viele Konsumenten haben sich an ein perfektes äusseres Erscheinungsbild von Gemüse oder Obst gewöhnt, das wir im biologischen Landbau nicht bieten können.

Sie arbeiten als landwirtschaftlicher Biobetrieb auch mit der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein zusammen, die ja bei einem ihrer vier Fokusthemen auf «Ernährung & Landwirtschaft» setzt. Welches gemeinsame Projekt hat es bisher gegeben?

Im Oktober 2021 kam die konkrete Anfrage der Stiftung, ob ich nicht an einem Brotgetreideprojekt mitmachen möchte. Ich habe rasch zugesagt und dafür ein Feld zur Verfügung gestellt.

Worum geht es in diesem Projekt genau?

Auf dem rund 5 Hektar grossen Feld haben wir insgesamt 10 verschiedene Sorten Winterbrotgetreide wie etwa Roggen, Triticale, Weizen oder Dinkel in Streifen angebaut. Ganz verschiedene Sorten, was im Sommer allein schon ein schönes Bild abgeben wird, wenn man an diesem Feld vorbeifährt. Und nach der Ernte soll aus diesen verschiedenen Getreidesorten in Liechtenstein selbst Mehl gemahlen, Brot gebacken und dieses dann hier im Land auch verkauft werden. Also echtes liechtensteinisches Brot vom Acker bis zum Bäckerregal. Üblicherweise wird die heimische Ernte meist komplett in die Schweiz geliefert und unsere Bäcker bekommen bestenfalls ein Mischgetreide zum Brotbacken zurück.

Absehbar soll mit Unterstützung der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein der Verein Feldfreunde gegründet werden. Welche Hoffnungen knüpfen Sie als Landwirt an diesen Verein?

Ich denke, wir haben in Liechtenstein enormes Potenzial, was eine ökologische Landwirtschaft betrifft. Unsere rund 30 zertifizierten Biobetriebe sind eigentlich schon auf einem sehr guten Niveau, aber in der konventionellen Landwirtschaft wird einfach noch zu viel die chemische Keule geschwungen und es geht auf Teufel komm raus rein um den wirtschaftlichen Output. Da erhoffe ich mir vom Verein Feldfreunde einfach notwendige und zukunftsweisende Impulse.

In Folge soll der Verein Feldfreunde auch die Schaffung eines «Bionetzes» im Land vorantreiben: ein Verbund aus Pionier- und Leitbetrieben aus der liechtensteinischen Biolandwirtschaft, der gleichzeitig Know-how vermitteln, Schnittstelle für Verarbeitung und Vermarktung sowie Anlaufstelle für Konsumenten sein soll. Warum ist ein solches Netz für einen Betrieb wie den Ihren wichtig?

Ich denke, wenn man regionale Biolebensmittel vermarkten will, braucht man eine gewisse Breite im Angebot. Dann braucht es neben klassischen Ackerprodukten auch Gemüse, Obst und Fleisch. Ein einzelner Betrieb kann diese Breite freilich nicht stemmen.

In meinen Augen sollte ein solches Bionetz dabei helfen, dass sich die einzelnen Betriebe die Arbeit aufteilen: ein Betrieb sollte etwa schwerpunktmässig nur gewisse Gemüsesorten erzeugen, ein anderer sonstige Sorten, wieder ein anderer macht vielleicht nur Obst und einer spezialisiert sich auf Fleisch. Dann gäbe es eine schöne Arbeitsteilung und die notwendige Angebotsbreite, was landwirtschaftliche Produkte betrifft.

Wenn Sie als liechtensteinischer Landwirt über den sprichwörtlichen Tellerrand hinausblicken: Was unterscheidet einen landwirtschaftlichen Bio-Betrieb hier im Land mit einem im nahen Ausland wie der Schweiz, Österreich oder Deutschland?

Ich muss sagen, dass wir in der Schweiz und in Liechtenstein schon eher auf Rosen gebettet sind, was die Unterstützung vom Staat betrifft. Da haben Biobetriebe in Österreich oder in Deutschland wirtschaftlich doch viel härter zu kämpfen als wir und viele kommen wirtschaftlich kaum auf einen grünen Zweig. Dazu trägt natürlich auch bei, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland und Österreich doch um Welten tiefer sind, während bei uns deutlich bessere Preise erzielt werden können.

Wo liegen aus Ihrer Sicht Chancen für die Landwirtschaft in Liechtenstein?

Wir hätten aufgrund der kurzen Entscheidungswege und lediglich rund 100 landwirtschaftlichen Betrieben im Land sicher Vorteile, weil man nicht wie in anderen Ländern gleich Riesenapparate bewegen oder umstimmen muss. Aber meine Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass unser Beamtenapparat leider eher unflexibel und verstockt ist und auch bei uns der Amtsschimmel laut wiehert.

Wie sieht denn Ihre persönliche Vision für die liechtensteinische Landwirtschaft der Zukunft aus?

Eine schwierige Frage. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir in Liechtenstein eine Bio-Oase werden, in der man weniger oder gar keine chemisch-synthetischen Hilfsstoffe mehr einsetzt. Bei nur 100 Landwirten wäre das vielleicht möglich, aber viele meiner konventionellen Berufskollegen sind noch so auf ihrer Schiene und nicht wirklich diskussionsbereit.

Auf welches selbst produzierte Lebensmittel sind Sie denn besonders stolz? Was kommt davon bei Ihnen zu Hause häufig auf den Tisch?

Da gibt es natürlich einiges. Aber besonders stolz bin ich eigentlich auf unsere Erdbeeren. Die haben zwar eine kürzere Haltbarkeit, sind aber geschmacklich eindeutig besser als das, was man im Supermarkt bekommt. Wir lieben aber auch unsere Kirschen, Karotten oder Kartoffeln. Ich selbst bin mit der Qualität, die wir produzieren, sehr zufrieden.

Zur Person

Georg Frick (*1973) hat an der ETH Zürich Agrarwissenschaften studiert. Danach war er in der Forschungsanstalt der Ecole d’Ingénieurs de Changins in Nyon (CH) tätig, ehe er 2001 bei der Inspektions- und Zertifizierungsstelle bio.inspecta zu arbeiten begann, wo er für alle biologischen Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz verantwortlich war.

2011 übernahm Georg Frick den Weidriethof in Schaan (FL) mit einer Anbaufläche von rund 50 Hektar und ist seither als selbstständiger Biolandwirt tätig. Zudem ist er Vorstand im Verein Bio Liechtenstein (VBL), der Dachorganisation aller Biobauern in Liechtenstein, sowie Mitglied des Bodenfruchtbarkeitsfonds der Bio-Stiftung Schweiz.