
Was ist Glück?
Glück lässt sich schwer fassen, es hat in jeder Zeit und Kultur eine andere Bedeutung. Heute nutzen die meisten Menschen das Wort «Glück» im Zusammenhang mit positiven Emotionen. Es wird als Synonym für Zufriedenheit und allgemeines Wohlbefinden verwendet. Dabei stehen nicht einzelne Höhepunkte – etwa die Hochzeit oder ein Lottogewinn – im Vordergrund, sondern vielmehr das «gute Leben» als langfristiges Projekt, also eine erfüllte Partnerschaft oder Freude am Beruf.
Was aber gehört zu einem erfüllten Leben? Für die alten Griechen war das gute Leben eine moralische Errungenschaft. Aristoteles, einer der einflussreichsten griechischen Philosophen, glaubte, dass Glück das höchste Ziel der menschlichen Existenz sei und dass es durch ein Leben in intellektueller und moralischer Tugend erreicht werden könne. Andere antike griechische Philosophen wie Epikur betonten die Bedeutung der Pflege von Freundschaften, der Vermeidung übermässiger Begierden und der Suche nach Ruhe als Schlüsselfaktoren für das Erlangen von Glück. Für die grossen Weltreligionen wiederum lag das Glück des Menschen in den Händen von Gott. Die Verbundenheit mit Gott war mit Leiden und Entbehrungen verbunden. Wenn man sich jedoch an die Regeln hielt, wurde einem das Glück zuteil.
Spätestens im Zuge der Industrialisierung änderten sich die Einstellungen zum Glück allerdings drastisch. Die Menschen fühlten sich immer weniger dem Schicksal ausgeliefert und wollten ihres Glückes eigener Schmid werden. Das Streben nach Glück verschob sich von inneren Werten auf äussere Faktoren wie Reichtum, beruflichen Erfolg und soziale Anerkennung. Doch bald zeichnete sich ab, dass es mehr braucht als ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt, um das Wohlbefinden und Glück möglichst vieler Menschen zu vermehren. Darum hat man vor etwa 20 Jahren begonnen, die Entwicklungsziele eines Landes breiter zu fassen und systematisch das subjektive Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit der Bevölkerung zu messen. Vorbild war Butan, wo sich die Regierung bereits im 18. Jahrhundert das Ziel setzte, das «Bruttoinlandsglück» zu vergrössern.
Wie wird man glücklich?
Die Forschung hat in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte gemacht und wir kommen der Entschlüsselung des Glücks immer näher. Ob jemand glücklich wird, wird vereinfacht durch folgende Faktoren bestimmt: Gene, Verhalten, Lebensumstände – wie Einkommen, sozialer Status, Partnerschaft oder Wohnort. Während sich die Gene nicht ändern lassen, können wir das Verhalten und die Lebensumstände beeinflussen. Glück ist eine Fähigkeit, die man erlernen kann. Wer sein Glück nachhaltig steigern will, muss sein Verhalten, sein Denken und seine Gewohnheiten ändern.
An der amerikanischen Elite-Universität Yale kann man heute sogar studieren, wie man glücklich wird. Der «Glückskurs» ist eine der populärsten Vorlesungen seit Jahren und vermittelt den Studierenden, wie man Glück und Wohlbefinden erreichen kann. Einige der wichtigsten Lektionen sind: Glück kommt von innen, ist das Ergebnis von positiven Gewohnheiten und Einstellungen. Wer nur äussere Erfolgsfaktoren wie Geld, Karriere oder materielle Besitztümer verfolgt, täuscht sich und bleibt gefangen in den «Tretmühlen des Glücks»1.
Eines der grössten Hindernisse für das Glück ist der Neid. Das heisst unsere Neigung, uns dauernd mit anderen zu vergleichen. Wenn wir uns ständig mit denen vergleichen, die anscheinend erfolgreicher oder besser dran sind als wir, können wir uns unzulänglich und unglücklich fühlen. Es ist wichtig, sich auf die eigenen Stärken und Errungenschaften zu konzentrieren, anstatt sich ständig mit anderen zu vergleichen. Ein wichtiger Schlüsselfaktor für Glück sind zudem starke soziale Bindungen und unterstützende Beziehungen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Freunde, Familie, Nachbarn und Kollegen sind für unser Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung.
Schliesslich ist es wichtig, für sich selbst zu sorgen, sowohl körperlich als auch geistig. Dazu gehören ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung, regelmässige Bewegung sowie Selbsterkenntnis, zum Beispiel durch Meditation. Wer sich um sich selbst kümmert, ist nicht nur besser in der Lage, Stress zu bewältigen, sondern auch zu geniessen.
Kann man Glück kaufen?
Diverse Studien weisen darauf hin, dass mehr Geld zu einem deutlichen Anstieg des Wohlbefindens und der allgemeinen Zufriedenheit führen kann, wenn es Menschen aus der Armut herausführt. Doch wenn jemand bereits gut verdient, macht ihn eine Lohnerhöhung nicht wesentlich glücklicher. Auch der Kauf von materiellen Gütern erzeugt nur ein kurzfristiges Hochgefühl.
Eine Forschergruppe der Harvard Universität hat in einer gross angelegten Studie erhoben, wie viel amerikanische Männer und Frauen jährlich verdienten, was sie jeden Monat für sich selbst und was sie monatlich für Geschenke für andere Menschen und Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen ausgaben. Sie wurden zudem gebeten, ihr Glücksgefühl zu bewerten. Die Ergebnisse zeigten, dass diejenigen, die angaben, mehr für andere auszugeben, auch über ein höheres Glücksniveau berichteten, während der Betrag, den sie für sich selbst ausgaben, keinen Einfluss auf ihr Glück hatte.
Es gibt viele Wege zum Glück, doch in einem Punkt ist sich die Forschung einig: Für ein glückliches Leben sollte der Mensch das Wohlbefinden anderer ebenso im Blick haben wie sein eigenes. Die Einsicht ist weder neu noch überraschend. Doch sie entspricht auch dem aktuellsten Stand der Forschung. Robert Waldinger von der Harvard Universität hat in einer Langzeitstudie untersucht, wie sich die Lebenszufriedenheit von ausgewählten Familien im Verlauf von 85 Jahren entwickelt hat. Er kommt zum Schluss, dass sich die Studie zu einem einzigen Lebensprinzip zusammenfassen lässt: Gute Beziehungen, Freunde, Familie und Bekannte machen uns gesünder und glücklicher!2
Fazit: Wer sein Glück vermehren will, sollte es teilen: aktiv am sozialen Leben teilnehmen, sich engagieren für Schwächere, mitwirken bei Vereinen, gemeinnützige Projekte unterstützen und Freunde öfter einladen.
Was ist Glück als PDF.
Zur Person
Karin Frick ist Principal Researcher und Speaker am GDI (Gottlieb Duttweiler Institute) in Rüschlikon/Zürich. Die Ökonomin analysiert Trends und Gegentrends in Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum und referiert zu diesen Themen regelmässig auf Tagungen und Kongressen. Die gebürtige Liechtensteinerin befasste sich seit ihrem Studium an der Universität St. Gallen (HSG) in verschiedenen Funktionen mit Zukunftsthemen, gesellschaftlichem Wandel, Innovation und Veränderungen von Menschen und Märkten.
Yippie-Ya-Yale!
Die amerikanische Yale University bietet einen kostenlosen Online-Kurs zum Thema. Mehr unter: «The Science of Well-Being»
→ de.coursera.org/learn/the-science-of-well-being
Foto: Sandra Blaser
Quellen:
1 Mathias Binswanger: Die Tretmühlen des Glücks, 2019
2 Robert Waldinger/Marc Schulz: The Good Life, 2022
Ein lebenswertes Liechtenstein bedeutet für mich ... erlebbare Nähe zu Mensch und Umwelt.Christine Falk-Pasch, Vaduz